Keine Patente für Stammzellen: Ein Sieg für die Menschlichkeit?

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat nun endgültig Patente auf embryonale Stammzellen verboten, da sie seiner Auffassung zufolge die Zerstörung menschlicher Embryos gegen die Menschenwürde verstoße, berichtet die Suddeutsche Zeitung in einem sehr interessanten Artikel zu dieser Entscheidung.

Diese Begründung erinnerte mich sehr an die Diskussion um die Präimplantionsdiagnostik, die anlässlich einer Entscheidung des Bundestags zum Thema Menschenwürde und Embryonen geführt wurde. Dazu hatte ich mich sehr ausführlich in einem Gastbeitrag bei den Wissenslogs geäußert. Die Frage hier wie da ist immer wieder die gleiche und im Wesentlich unbeantwortbare:“Wann beginnt das Leben?“

Die Süddeutsche Zeitung zitiert dazu eine Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts, demzufolge das individuelle und somit auch im Hinblick seiner Würde zu respektierende menschliche Leben ab dem 14. Tag nach der Befruchtung beginnt. Auch wenn es hierzu wissenschaftliche Ansätze gibt, welche diese Überlegungen stützen, sehe ich weder im Zusammenhang mit der Präimplantationsdebatte noch bei der Stammzellforschung hier die Möglichkeit, eine sinnvolle Grenze zu ziehen. Aus Sicht eines Ethikers oder gar gläubigen Theologen sind diese Grenzziehungen willkürlich. Diese Grenzen zuzulassen widerstebt jenen zutiefst, da man sich mit jeder zeitlich bedingten Definition des Lebensbeginns auf die „Slippery Slope“ begibt und ein Abrutschen hier unausweichich scheint. Und in der Tat könnte man auch durchaus wissenschaftliche Begründungen für andere Zeitpunkte in der Embryonalentwicklung als Beginn des menschlichen Daseins erarbeiten.

Da die Entnahme von Zellen jedoch meist im „totipotenten“ 8-Zellstadium oder spätestens im Blastozystenstadium (5 Tage nach der Befruchtung) stattfindet, sind solch differenzierten Betrachtungen auch wenig wegweisend. Und es ist auch nicht die Frage, um die es eigentlich geht. Es geht um die Möglichkeit zur Behandlung schwerkranker Menschen und deren Menschenwürde.

Bei der Diskussion um die Stammzellnutzung geht es Greenpeace und den Vertretern der christlichen Religionsgemeinschaften in merkwürdig anmutendem Schulterschluss leider jedoch ausschließlich um die „Würde von Zellen“ und nicht um die möglichen Einsatzzwecke, mit denen in durchaus absehbarer Zukunft schwer erkrankten Menschen geholfen werden könnte. Die Würde dieser Menschen wird jedoch mit dem lapidaren Hinweis auf die Menschenwürde des Embryos mit Füßen getreten und ihnen eine Zukunft in Gesundheit verbaut.

Denn worum ging es bei der Entscheidung des EuGH letzlich? Auch wenn der Eindruck in der Diskussion entstehen konnte, ging es nicht um die Methode der Stammzellgewinnung an sich oder deren Verwendung in der Forschung. Diese ist erlaubt und wird es vermutlich auch weiterhin bleiben.

Gelingt es, aus den Stammzellen Körperzellen zu kultivieren, die z. B. als Ersatz für geschädigtes Nervengewebe dienen könnten, dann wäre es möglich, Menschen mit einer entsprechenden Nervenerkrankung (Morbus Parkinson bis hin zur Querschnittlähmung)gezielt zu helfen. Nun haben Stammzellen zwar das Potential sich zu jeder beliebigen differenzierten Körperzelle zu entwickeln, bedauerlicherweise machen sie dies nicht auf Zuruf. Aufwendige Verfahren müssen entwickelt werden, um die Zellen entsprechend zu programmieren.

Und darum geht es. NICHT um ein Patent auf Stammzellen oder gar ein Patent auf Embryonen oder noch schlimmer – menschliches Leben -, wie es so gerne sehr plaktiv in der Diskussion vorgetragen wurde. Es geht ausschließlich um die sehr aufwendgen Verfahren, mit denen Stammzellen „gesagt werden kann“, was man von ihnen möchte und in welche Körperzelle sie sich differenzieren sollen, um sie letztlich als Transplantat (oder Medikament) nutzen zu können.

Natürlich ist die Entwicklung solcher Methoden sehr aufwendig und niemand wird diesen Aufwand betreiben, wenn er sich die so entwickelten Verfahren nicht schützen lassen könnte. Das steht auch jedem Medikamentenhersteller zu, der seine Forschung durch Patente schützen lässt. Es ist nicht einzusehen, warum es mit Heilmethoden basierend auf Stammzellen anders sein sollte.

Das Verbot der Patentierung solcher Verfahren hat drei Folgen:
1. Entsprechende Verfahren werden (zumindest in Europa) aufgrund rechtlicher Unnsicherheiten nicht weiterentwickelt.
2. Diese Forschung wird sich möglicherweise auf andere Kontinente verlagern, jedoch ist davon auszugehen, dass es länger dauern wird, bis entsprechende Therapien am Patienten angewendet werden können.
3. Jene, die aus religiösen oder anderen ethischen Beweggründen heraus die Verwendung embryonaler Stammzellen ablehnten, haben nun indirekt ihr Ziel erreicht. Und letztlich mit der gleichen Argumentation, die vorher nicht verfing: Mit dem Hinweis auf die menschliche Würde der Emryonen. Und unter Negierung der Würde von Menschen, denen nun möglicherweise eine Behandlung nicht zuteil wird.

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