Was die Ärztekammer und die Kirchen eint

Zu Ostern sind die Kirchen immer ein wenig voller als sonst. Eine gute Gelegenheit, die Gemeinde ein wenig zu beeinflussen und die Grundhaltung der Kirche zu bestimmten aktuellen Themen unters Volk zu bringen. Dieses Jahr stand natürlich die Präimplantationsdiagnostik (PID) im Vordergrund der kirchlichen Stellungnahmen.

„PID dient der Kultur des Todes“, urteilte der katholische Bischof Reinelt vom Bistum Dresden-Meißen in seiner Predigt. Der Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, warnte […] am Karfreitag vor einer „Ideologie des gelingenden Lebens“. Der Bischof forderte, dass die mit Hilfe der PID zu vermeidenden Krankheiten als Wirklichkeit anerkannt werden müssen. Der evangelische Landesbischof in Bayern, Johannes Friedrich, sieht Sterbehilfe und PID gleichwertig als Maßnahmen, sich am Leid – jetzt kommt´s – vorbeizumogeln (!)

Nunja. Diese Denkweise ist nicht neu. Jesu Gebete in Garten Getsemani wurden nicht erhört. Sein Gott ließ den Kelch nicht an ihm vorübergehen. Und in dieser Tradition sind die christlichen Kirchen weiterhin verhaftet. Der eingangs erwähnte evangelische Landesbischof Johannes Friedrich bringt es populärsprachlich auf den Punkt: Jesus hatte damals keine Möglichkeit, sich an seinem Schicksal „vorbeizumogeln“. Demzufolge sollten auch die Menschen der Jetztzeit aus Sicht der Kirchen ihr Schicksal annehmen und Gottes Plan nicht durch Sterbehilfe und PID „austricksen“.

Kirche und Ärzteschaft: Merkwürdige Allianz

Aus Sicht eines Arztes ist ein solcher Fatalismus nicht zu akzeptieren. Das durch Krankheiten hervorgerufene Leid zu lindern oder zu beseitigen ist das Ziel jeder ärztlichen Tätigkeit. Auch ein wissenschaftlich denkender und handelnder Arzt kann Christ sein und als solcher handeln. Werde ich jedoch durch eine Erkrankung vor die Wahl gestellt, als Christ oder als Arzt zu handeln, dann kann ich mich nur für Letzteres entscheiden. Denn Krankheiten zu heilen, lindern oder zu verhindern ist Ziel der ärztlichen Tätigkeit.

Vor diesem Hintergrund ist die Haltung des Vizepräsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, zur PID sehr merkwürdig und aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar. Die Methode sei medizinisch nicht notwendig, behauptet er. Das kann man durchaus behaupten, zumindest wenn man Radiologe ist und einem die medizinischen Detailkenntnisse fehlen. Dann könnte man sich jedoch belesen.

Liest man jedoch die Gründe, die er gegen die PID anführt, dann lässt sich erkennen, dass ihn Detailkenntnisse nur stören würden. Denn seine Argumentation ist mitnichten wissenschaftlich oder ärztlich. Er warnt vor einem Dammbruch, wenn man anfange, „jeden nur erdenklichen Wunsch in der Medizin mit technischen Mitteln zu erfüllen“. Die übliche Argumentation der „slippery slope“ auf der man geradezu zwanghaft ausrutscht, wenn man sie ein wenig schräg stellt. Er befürchtet, dass die PID „zum massenhaft eingesetzten Instrument der Qualitätssicherung“ werde. Fakt ist: In Ländern, in denen die PID erlaubt ist, wird bei 0,4% aller künstlichen Befruchtungen eine PID durchgeführt. Im Jahre 2008 waren es ca. 180 in ganz Großbritannien. Ein Dammbruch sieht anders aus.

Das nächste Argument, welches er gegen die PID vorbringt, deckt sich lückenlos mit der des Vatikans zu diesem Thema: Montgomery nannte es […] eine Kernfrage, ob es in dieser Gesellschaft noch den Mut gebe, jemandem „klar zu sagen, dass der liebe Gott vielleicht nicht gewollt hat, dass er weitere Kinder bekommt“. Gesundheitlich vorbelastete Eltern müssten manchmal akzeptieren, keine eigenen Kinder zu haben.

Nochmal langsam zu mitdenken: Ein Arzt, und nicht irgendeiner, sondern der Vizepräsident der Bundesärztekammer, spricht sich dafür aus, eine Präventionsmaßnahme abzulehnen. Eine, die es Paaren mit wiederholten Fehlgeburten und/oder Totgeburten erlauben würde ein gesundes Kind zu bekommen. Und er lehnt diese Präventionsmethode ab, weil der liebe Gott es nicht will?!?! Der liebe Gott möchte vielleicht auch nicht, dass tausende Frauen vor Gebärmutterhalskrebs bewahrt werden, weiß man´s? Lehnt Montgomery deshalb auch die Krebsfrüherkennungsuntersuchungen ab? Verfolgt man diese Denkweise konsequent weiter, dann kann man im Prinzip gleich die ganze Medizin abschaffen, da sie möglicherweise gegen Gottes Willen verstößt.

Diese Argumentation ist beklagenswert unärztlich. Nun mag es die persönliche Auffassung des Kollegen sein, die man ihm zwar vorwerfen kann, die letztlich aber ohne Bedeutung ist. Schließlich ist er Radiologe und ganz offenbar nicht sehr vertraut mit der PID.

Es ist jedoch keine persönliche Auffassung. Zumindest wird sie nicht so wahrgenommen. Die Überschriften der Presse lauten unisono „Bundesärztekammer gegen PID„. Es handelt sich also – beabsichtigt oder zufällig – um eine in der Öffentlichkeit als solche wahrgenommene Stellungnahme der Bundesärztekammer. Und sollte es wirklich so sein, dass diese von Faktenwissen offenbar völlig unbeeinträchtigte Verlautbarung von Frank Ulrich Montgomery die Meinung der Bundesärztekammer widerspiegelt, dann kann man sich die Frage stellen, ob dies einer ärztlichen (nicht kirchlichen) Standesvertretung angemessen ist. Ist es nicht der Fall, dann wäre eine Distanzierung der Kammer von den Aussagen ihres Vizepräsidenten mehr als angemessen.

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